Hôtel de Pologne

Das Hôtel de Pologne ist ein Gebäudekomplex in der Hain­straße 16/18. Sein Name erinnert daran, dass das Gebäude von 1848 bis 1917 als Hotel genutzt wurde.

Das heutige Grundstück setzt sich – anders als die beiden Hausnummern vermuten lassen – aus drei ehemaligen Grundstücken zusammen.

Im Jahr 1819 erwarb der Gastwirt C. A. Pusch den Gasthof »Zum goldenen Adler« (alte Häusernummer 348), der sich auf dem nördlichen Grundstück befand und schon im Jahr 1600 unter diesem Namen erwähnt wurde.

Im Jahr 1823 kam auch der zwei Grundstücke weiter südlich gelegene Gasthof »Zum Birnbaum« (alte Häusernummer 346) an Pusch. Zur Erinnerung daran, dass hier im Jahr 1706 der polnische König Stanisław I. Leszczyński (1677–1766) wohnte, ließ Pusch im Jahre 1828 dem Gasthof den Namen »Hôtel de Pologne« geben, der französisch1) ist und »Hotel Polen« bedeutet.

Nachdem Pusch im Jahr 1832 auch das mittlere Grundstück (alte Häusernummer 347) erworben hatte, fasste er im Jahr 1843 alle drei Häuser unter dem gemeinsamen Namen »Hôtel de Pologne« zusammen. Berühmt wurde das Hotel durch seinen großartigen, reich dekorierten Festsaal, den der Architekt Eduard Pötzsch (1803–1889) einbaute.

Am 29.08.1846 zerstörte ein Brand, der durch einen im Terpentinlager rauchenden Angestellten ausgelöst wurde, sich aber glücklicherweise nicht zum Großbrand ausweitete, alle drei Häuser. Dabei kamen acht Menschen ums Leben; der Festsaal wurde zerstört. Im Jahr 1847 begann der Neubau eines einheitlichen Gebäudes, das sich, fünf Geschosse hoch und dreizehn Fensterachsen breit, über die drei Grundstücke erstreckte, und 1848 wieder als »Hôtel de Pologne« eröffnet wurde. Mit 130 Zimmern war es derzeit das größte Leipziger Hotel.

Pläne des Berliner Architekten Albert Bohm aus dem Jahre 1890, auf dem Grundstück eine prächtige »König-Albert-Passage« zur Katharinenstraße zu errichten, wurden nicht realisiert. Vielmehr baute der Architekt Arwed Rossbach (1844–1902) das bestehende Gebäude in den Jahren 1891/1892 grundlegend um, wobei die Fassade zur Hainstraße im Stil der florentinischen Renaissance gestaltet wurde. Im ersten Obergeschoss befanden sich nun zwei Festsäle, die bis zu 1.500 Gästen Platz boten.

Am 21.10.1907 wurde im Hôtel de Pologne der »Verband deutscher kaufmännischer Genossenschaften e.V.«, die heutige EDEKA, gegründet.

Der erste Weltkrieg führte zum Niedergang des Hotels, zeitweise wurde es als Lazarett genutzt. Im Jahr 1917 schloss es ganz. Der Saal wurde aber auch weiterhin für Veranstaltungen (Kabarett) und Gastronomie genutzt: bis 1943 als »Nachtfalter«, 1943–1945 als »Soldatenheim«, 1945/1946 als »Casino« und 1947-1950 als »Atrium«.

In der Weimarer Republik diente das Gebäude als Messehaus, u.a. als »Österreichisches Messehaus«.

In den 1930er Jahren wurde das Grundstück, das zuletzt der jüdischen Familie Eitingon gehörte, »arisiert« und kam an Kurt Herrmann (1888–1959).

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts diente das Hôtel de Pologne als Bürogebäude des Leipziger Messeamtes, der Saal war bis 1991 Betriebsrestaurant.


Luthertafel Vollbild (58,2 kB)

Im Jahr 19832) wurde – anlässlich des 500. Geburtstages des Reformators Dr. Martin Luther (1483–1546) – eine Gedenktafel am Gebäude angebracht, die daran erinnert, dass Luther im Jahr 1519 im späteren Gasthof »Zum Birnbaum« wohnte.

Fußnote:

 1) heute muss alles englisch sein, um international zu gelten; damals war die Sprache des Weltmannes französisch
 2) der »sorgfältig recherchierte Beitrag« zum Hôtel de Pologne im Stadtlexikon Leipzig von A bis Z behauptet auf Seite 252 das Jahr 1968. Auch kennt er den Buchstaben »ô« nicht.

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