Der Elster-Pleiße-Kanal war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein künstlicher Wasserlauf in der Leipziger Westvorstadt. Entsprechend seiner Funktion wurde er meist als »Dampfschifffahrts-Canal« bezeichnet.
Der ca. 375 Meter lange Kanal zweigte zwischen der Elster- und der Poniatowskibrücke rechts vom Elstermühlgraben1) ab und führte südlich parallel zur Lessingstraße geradlinig nach Osten. Unter einer namenlosen Brücke unterquerte er die Canalstraße (seit 1881 Thomasiusstraße). Schließlich mündete er links, zwischen der Barfußmühle und der ehemaligen Lessingbrücke, in den Pleißemühlgraben.1) Da zwischen beiden Mühlgräben ein erheblicher Pegelunterschied2) bestand, wurden – erstmals in Leipzig – Schleusen angelegt.
Der Kanalbau steht im Zusammenhang mit der Parzellierung von Gerhards Garten ab 1863. Das parkartig gestaltete Grundstück wurde damals mit der Lessing- und Canalstraße bebaut. Hierzu musste ein Teich verfüllt und das sumpfige, tiefgelegene Gelände insgesamt angehoben werden. Das Material dafür lieferte der Leipziger Unternehmer Dr. Carl Heine (1819–1888), der sinnvoll den Aushub nutzen wollte, der beim Bau des Karl-Heine-Kanals in Plagwitz anfiel. So verkaufte er ca. 14.000 Kubikmeter Erdreich, das er auf dem Wasserweg zu Gerhards Garten transportierte.
Viel interessanter als die Verwertung seines Abraums schien Heine die Möglichkeit, mit einem Kanal eine schiffbare Verbindung zwischen dem Elstermühlgraben, der von Plagwitz aus entlang der Weißen Elster ohne Hindernisse erreichbar war, und dem Pleißemühlgraben, der zur Parthe und damit zu den drei Kopfbahnhöfen nördlich der Innenstadt führte, herzustellen. Zwar berührten sich beide Wasserläufe am Rosentalwehr (wo natürlich auch eine Schleuse zur Überwindung des Höhenunterschieds nötig wäre), aber im Elstermühlgraben hätte die Angermühle jeden Schiffsverkehr gestört.
Ein Kanal am Südrand von Gerhards Garten würde aber die Angermühle (A) und das Rosentalwehr (R) umgehen und genau hinter der Barfußmühle (B), dem letzten Hindernis auf dem Pleißemühlgraben, einmünden, wobei hier sogar ein Teil des älteren Diebsgrabens in den Bau mit einbezogen werden konnte.
Carl Heine kaufte also am 1. Juli 1863 von den Eigentümern von Gerhards Garten 38.000 Quadrat-Ellen (ca. 9.500 Quadratmeter) Land und begann mit dem Bau des Kanals und der Schleusen. Nach nicht einmal einem Jahr waren alle Arbeiten abgeschlossen, und am 25. Juni 1864 wurden der Elster-Pleiße-Kanal sowie das erste Teilstück des Kanals in Plagwitz feierlich eröffnet (vgl. Bericht im Leipziger Tageblatt vom 27. Juni 1864; hier wurde hervorgehoben, dass Dr. Heine auch für Hunderte seiner Arbeiter »Festmahl und Ball« veranstaltete).
Neben dem Gütertransport wurde der Kanal auch für die Personenbeförderung genutzt. Täglich pendelten Dampfschiffe im Stundentakt zwischen der Leipziger Altstadt und Plagwitz, wobei es auch mehrere Unterwegshalte gab. Am Endpunkt in Plagwitz entstand eine Wartehalle mit Gastwirtschaft, auch die ältere Gastwirtschaft am Endpunkt in der Altstadt profitierte vom Ausflugsverkehr.
Nachdem das Transportaufkommen deutlich gesunken war, wurde der Güterverkehr auf dem Kanal schon im Jahr 1870 wieder eingestellt. Der Personenverkehr wurde immerhin noch bis 1880 betrieben. Anschließend wurde der Kanal wieder verfüllt, die Brücke abgebrochen und die Canalstraße umbenannt. Schon auf einem Stadtplan von 1882 lässt sich keine Spur des ehemaligen Wasserwegs mehr finden.